Kanu-Rennsport

04.01.2022

Held von Rio: Potsdamer Kanu-Olympiasieger Jan Vandrey beendet Karriere

Wie Phönix aus der Asche fuhr der Canadierfahrer 2016 zum Olympiasieg. Ein Erfolg, der für ihn nicht nur angenehm war. Nun hat der 30-Jährige einen endgültigen Schlussstrich gezogen.

Den Schritt, den Jan Vandrey nun gegangen ist, hatte er beinahe schon 2015 gesetzt. „Zum Glück nur beinahe”, sagt er und lacht. Denn sonst wäre dem Kanuten der größte aller Sporterfolge verwehrt geblieben. 2016 gewann der heute 30-Jährige zusammen mit seinem Vereinskollegen vom KC Potsdam im OSC, Sebastian Brendel, die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Rio. „Das erlebt zu haben, macht mich stolz und dankbar”, sagt Vandrey. „Es ist ein Moment, den mir niemand mehr nehmen kann.” Weitere Triumphe werden nicht hinzukommen. Der Canadierfahrer hat seine Karriere jetzt für beendet erklärt.

Aus Freude wurde Frust

An diesem Punkt stand Vandrey eben schon vor rund sechs Jahren. Der frühere U23-Vizeeuropameister war damals nicht mehr im Bundeskader, seine Perspektive trüb wie mitunter die Havel. „Ich dachte, da kommt nichts mehr”, erinnert er sich. „Ich hatte viel bloß für mich selbst trainiert, dann aber gemerkt, dass mir das und ein bisschen Pause gutgetan haben.” Deshalb ging Vandrey doch die Olympiasaison an und wusste, mit guten Einer-Leistungen zu überzeugen. Unter anderem holte er als Neuling in der deutschen A-Nationalmannschaft Weltcup-Silber. „Dadurch ist Basti auf mich aufmerksam geworden und wir haben den Zweier-Versuch gestartet.” Brendel/Vandrey, beide aus Schwedt/Oder stammend, traten ohne viel gemeinsame Wettkampfpraxis bei den Rio-Spielen an und überraschten mit dem Olympiasieg. Das Jubelbild von Brendels geballter Faust und dem im wackligen Boot dahinter aufgestandenen Vandrey ging um die Welt. „Das”, betont Vandrey, „war ein Tag, an dem alles gepasst hat.”

Danach passte es dann allerdings zunehmend weniger. Von 2017 bis 2019 konnte sich das Potsdam-Duo nicht mehr national behaupten. „Wir haben es versucht, nur funktioniert hat es nicht wie gewünscht”, sagt Vandrey, der mit einem Platz im nicht-olympischen Vierer Vorlieb nehmen musste. Immerhin Gold und Silber bei der WM sowie EM-Silber bekam er so noch zusammen. „Von Null auf Olympiasieg – dadurch hatte sich viel geändert. Der Blick auf mich war ein anderer, die Erwartungen auch.” Diese gingen aber nicht mit seinen eigenen Vorstellungen einher. Dreifach-Olympiasieger Brendel ist bekannt für seinen immensen Trainingseifer, Vandrey sieht sich hingegen eher als „Wettkampftyp, der viel auf das persönliche Gefühl achtet”. Gerade in der Nebensaison hätten diese unterschiedlichen Einstellungen zu Unzufriedenheit geführt, „einfach frustriert”, sagt Vandrey. „Deshalb war es okay, dass dann der Schlussstrich gezogen wurde.” Brendel nahm sich daraufhin den Berliner Tim Hecker als neuen Zweierpartner. Bei Olympia in Tokio holten beide die Bronzemedaille über 1000 Meter.

Ein Botschafter für den Sport

Zu diesem Zeitpunkt war Vandrey längst im Hintergrund abgetaucht. Der 1,88 Meter große Athlet gilt als Sportler mit Ecken und Kanten, einer, der seine Meinung sagt und damit auch Spannungen erzeugt. Seine – auch dank Brendel erlangte – sportliche Bedeutung nutzte er jedoch ebenfalls, um für den Kanusport zu werben. Bei öffentlichen Veranstaltungen oder als Gesicht der Aktion „Allianz und KC Potsdam machen Schule”. Bei dem Paddelprojekt zog Vandrey durch Schulen, leitete Schnuppertrainingseinheiten, führte im Lockdown digitale Sportstunden für Kinder durch. „Das hat sehr viel Spaß gemacht und hat bei vielen der Kids die Begeisterung für Bewegung geweckt oder gestärkt.”

Als Oberbrandmeister fehle jetzt nach dem Ende im Leistungssport die Zeit, das Projekt selber fortzuführen. Der staatlich geprüfte Sportassistent war während seiner aktiven Zeit als Mitglied der Feuerwehr-Sportfördergruppe abgesichert. „Ohne solche Unterstützung, wäre der Erfolg nicht möglich gewesen”, sagt Vandrey und meint: „Mein Karriereweg war ein holpriger. Höhen und Tiefen lagen nah beieinander.” Doch gerade der Moment in Rio sei nicht nur mit Blick auf die Medaille Gold wert gewesen, findet Vandrey. „Ich bin ein kommunikativer Mensch und habe auch durch die vielen Termine danach immer besser gelernt, was man und wie man etwas sagen kann, damit es richtig ankommt. Dadurch bin ich persönlich gewachsen.” Als verheirateter Vater einer Tochter hätten diese gewonnenen Erfahrungen auch im Alltag bei Problemlösungen geholfen. Insofern ist Jan Vandrey rundum glücklich, den 2015 angesetzten Schritt herausgezögert zu haben.