
Kanu-Weltmeister Jacob Schopf aus Potsdam: Mentale Folter für einen Hochleistungssportler
Dass Jacob Schopf dieses Jahr Doppel-Weltmeister wurde, war nach 13 Wochen Trainingsausfall kaum zu erwarten. Der Kanute aus Potsdam erhofft sich mit Blick auf Olympia in Paris einen positiven Effekt seiner vielen Infekte.
Artikel MAZ Tobias Gutsche
Potsdam. Der Herbst ist da. Überall wird geniest und gehustet. Bei Jacob Schopf sorgt das für Unbehagen. Zu sehr hängt ihm die Erinnerung an die vergangenen kalten Monate nach, als der Weltklasse-Kanute des KC Potsdam im OSC von der Krankheitswelle erfasst worden war und kaum noch losgelassen wurde. Insgesamt 13 Wochen lang fiel er aus. „Ich bin von einer Erkrankung in die nächste getappt. Von A bis Z war alles dabei – Corona, Nasennebenhöhlenentzündung, andere Infekte“, erzählt der 24-Jährige.
Umso stolzer sei er, wie die Saison, die anfangs fast schon verloren wirkte, noch ausging: mit dem ganz großen Gewinn – Doppel-Gold bei den Heim-Weltmeisterschaften in Duisburg. „Das“, sagt Schopf, „gibt enorm viel Auftrieb für das Olympiajahr.“ Seit gut einem Monat steckt der nunmehr sechsfache WM-Medaillengewinner in der langwierigen Saisonvorbereitung und hofft zunächst auf eine Sache: „Gesund zu bleiben.“
Denn es ist klar, dass hinsichtlich der Sommerspiele 2024 in Paris ein erneuter Ausfall über mehrere Wochen noch schwieriger zu kompensieren wäre. „Alle hauen jetzt rein. Das Niveau wird noch einmal ansteigen, sodass Mängel deutlicher zum Tragen kommen“, sagt der leitende Bundestrainer Arndt Hanisch, der Schopf in Potsdam coacht. Die Probleme seines Schützlings im vergangenen Herbst und Winter bereiteten ihm Sorgen. „Das Ausmaß war schon extrem. Da musste man schon grübeln, wie wir da wieder rauskommen“, sagt Hanisch und das Paddel-Ass selbst berichtet: „Immerzu nicht trainieren zu können, hat sehr an meiner Psyche genagt.“ Während die Kollegen und Konkurrenten an der Form feilten, lag er im Bett. Mentale Folter für einen Hochleistungssportler.
Deutscher Kajak-Vierer: Paradeboot kämpfte mit Problemen
Warum Schopf so ungewöhnlich anfällig für Infekte war, konnte nicht genau ergründet werden. Er hofft jedoch, dass das Ganze auch einen positiven Effekt hatte. „Bestenfalls ist mein Immunsystem durch die vielen Krankheiten aus dem letzten Jahr jetzt sehr gut gestärkt, dass ich das besser abwehren kann“, sagt der gebürtige Berliner. Zudem versucht er, durch klassische Präventionsmaßnahmen robuster zu sein. Und auch den Faktor Stress minimiert Schopf. So fährt er zum Beispiel aktuell sein Sport- und Geografie-Lehramtsstudium an der Universität Potsdam auf ein Minimum herunter. „Im olympischen Jahr muss einfach alles für den Sport gemacht werden“, betont er und spricht von der „Mission: trainieren, trainieren, trainieren“.
Jacob Schopf stammt aus Berlin, lebt, trainiert und startet inzwischen aber seit einigen Jahren für Potsdam.
Jacob Schopf stammt aus Berlin, lebt, trainiert und startet inzwischen aber seit einigen Jahren für Potsdam.
© Quelle: IMAGO/Anke Waelischmiller/SVEN SIMON
Diese absolvierte er auch schon dieses Jahr. Nur eben als Aufholprogramm. Allerdings war er nicht der einzige aus dem deutschen Kajak-Vierer, der Probleme hatte. Auch sein Potsdamer Vereinspartner Max Lemke sowie Tom Liebscher-Lucz (Dresden) und Max Rendschmidt (Essen) hingen zunächst hinter den eigenen Möglichkeiten zurück. Der 500-Meter-K4 als Paradeboot wurde so beim Weltcup nur Vierter, bei den Europaspielen sogar bloß Fünfter. Was folgte seien „Meilensteingepräche“ gewesen, wie Schopf erklärt: „Wir haben alles kritisch hinterfragt und Konsequenzen gezogen: beim Training, den Abläufen, wir haben die Sitzpositionen geändert. Der Tiefflug hat uns eigentlich ganz gut getan, weil wir so den Blick für Veränderungen bekommen haben.“ Denn wie heißt es: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“
Jacob Schopf liebäugelt wieder mit Doppelstart bei Olympischen Spielen
Das zusammengeraufte Kajak-Quartett aber hatte die richtigen Hebel in Bewegung gesetzt. Der WM-Titel wurde der verdiente Lohn. Während es für Lemke, Liebscher-Lucz und Rendschmidt bereits der vierte in dieser Disziplin war, gehörte Schopf erstmalig zu der Gold-Crew. Nachdem der Brandenburger Routinier Ronald Rauhe 2021 mit dem Olympiasieg seine Karriere beendet hatte, übernahm der 18 Jahre jüngere Schopf die offene Stelle. Zuvor hatte er im 1000-Meter-K2 Olympia-Silber geholt. In Paris peilt er Gold an. „Unser Boot ist vielversprechend. Wichtig ist, dass wir uns im Frühjahr individuell gut präsentieren und uns dann auch in dieser Konstellation als Team für die Nominierung empfehlen“, sagt Schopf, der bei der Heim-WM auch noch im nicht-olympischen Mixed-Zweier mit der aus Mittenwalde (Dahme-Spreewald) stammenden und für Berlin antretenenden Lena Röhlings triumphierte.
Bei den anstehenden Sommerspielen kann er sich auch wieder einen Doppelstart vorstellen. In Tokio war Schopf neben dem Zweier auch im Einer über 1000 Meter dabei und verpasste auf Rang vier eine weitere Medaille nur aufgrund einer schlechten Startphase. „Der Hauptfokus liegt auf dem K4, alles andere wird sich zeigen“, sagt der Potsdamer Modellathlet, der darauf hofft, dass seine Immunabwehr jetzt genau so stark ist wie sein Können mit dem Paddel.
MAZ